Hinterradversetzen
Das Hinterradversetzen ist die wohl wichtigste Fahrtechnik für Bikebergsteiger. Denn beim Planen und Bauen von alpinen Steigen hatten die Erbauer wohl noch in den seltensten Fällen Mountainbiker als Benutzer vorgesehen. Enge Spitzkehren erleichtern Fußgänger den Auf- und Abstieg Durch Steilhänge. Ein Mountainbike mit einem durchschnittlichen Radstand von 1,2m passt jedoch selten geschmeidig hindurch. Was tun?
Das Versetzten des Hinterrades ist zugegebenerweise keine einfache Aktion, doch eben der Schlüssel zum flüssigen Befahren von alpinen Wegen. Und außerdem ist der „Lupfer“ die naturschonenste Variante, um durch die Kehre zu kommen. Also eigentlich alternativlos.
Und so geht’s:
- Du lernst Deine Vorderradbremse beherrschen. Sie muss Dein bester Freund sein, in allen Situationen. Vorher brauchst Du gar nicht an den Lupfer denken. Passt? Dann:
- Lernst Du das Hinterrad anzuheben, ohne die Vorderradbremse zu benutzen. Am besten auf leicht abfallendem Untergrund. Körperspannung aufbauen -> in die Knie gehen -> Beine Strecken -> HR kommt hoch.
Achte darauf, dass Du die Beine wieder anziehst wenn das Hinterrad vom Boden abhebt. Dadurch bleibt Deine Körperposition zentral. Achte darauf, dich NICHT nach vorne zu lehnen.
Das Vorderrad rollt bei dieser Übung, eh klar, Du bremst ja nicht. - Üben, üben, üben… bis Du dich richtig wohl fühlst dabei.
- Jetzt machst Du dasselbe wie bei Punkt 2 und nimmst als Unterstützung die VR-Bremse dazu. Vorsicht ist geboten, denn jetzt überlagern sich Bewegung und Bremsung. Beim falschen Timing oder zu groben Manövern schießt Du dich schnell über den Lenker ab.
Am besten übst Du auf einer leicht abfallenden Wiese, dann fällst Du notfalls weich. Du solltest grundsätzlich möglichst wenig und möglichst dosiert bremsen.
WICHTIG: nicht im Ebenen üben, alpine Kehren sind auch nie eben! Auch hier solltest Du wieder darauf achten, dass Dein Körper zentral bleibt (nie nach vorne lehnen!) und dass das Vorderrad weiter fährt während das Hinterrad in der Luft ist.
Ist nicht einfach, drum: - Üben, üben, üben… bis Du dich richtig wohl fühlst dabei.
- Das seitwärts Versetzen ist super einfach, wenn Du das richtige Timing erwischst. Das richtige Timing zu erwischen ist allerdings nicht so einfach….
Genau in dem Moment wo das Hinterrad abhebt lehnst Du Deine Hüfte dynamisch in Versetzrichtung. Dann fällt das HR ganz von alleine in die richtige Richtung.
Am besten übst Du auf Deiner Wiese immer im Wechsel rechts und links. Bei dieser dynamischen Versetz-Variante ist ein Pedalwechsel nicht sinnvoll, das heißt, Dein bevorzugter Fuss steht immer vorne. - Wenn das funktioniert, achte darauf, dass Dein Vorderrad in die Gegenrichtung zum Hinterrad lenkt. Also in die Kurve rein. Das passiert eigentlich auch völlig automatisch.
Wenn nicht, dann führe Deinen Blick bewusster „in die Kurve rein.“ Du musst Dir natürlich eine Kurve denken. Also wenn das HR nach rechts schwenkt lenkt das VR nach links. Verstanden? Das Rad bleibt quasi komplett gerade, dreht sich als Ganzes und nicht um das Steuerlager. - Funktionierts? Hey wow, jetzt kannst Du schon versetzten!!!
Das machst Du jetzt am besten immer und überall, auch in schnelleren Kurven, auf Forstwegen, beim Anhalten oder Rumblödeln.
Und Du kennst es schon: Üben, üben, üben… bis Du dich richtig wohl fühlst dabei. - Jetzt suchst Du Dir eine Kehre. Idealerweise keine allzu schwere. Eine wo man auch noch Durchfahren könnte.
- Was genauso funktioniert wie beim Durchfahren ist die Blickrichtung. Also fahr ein paar mal ohne Versetzten durch die Kehre und führe Deinen Blick ganz bewusst an der INNENSEITE der Kehre lang.
Orientiere dich an der Berme (Wegrand). Unterschätze das Thema Blick nicht, daran scheitert man später am ehesten! - Was beim Versetzen völlig anders funktioniert als beim Durchfahren, ist die Linienwahl. Statt „Außen-Innen-Außen“ heißt es jetzt „Innen-Innen-Innen“.
So hast Du auch in ganz engen Kehren genügend Platz, um das HR rumzuschwenken und bist in der Ausfahrt so weit wie möglich weg vom Abgrund. Das hilft. - Timing kommt jetzt. Und da ist die Message klar und deutlich: so früh wie möglich! Du kannst sogar schon beim Abbremsen vor der Kehre einen leichten Lupfer einbauen. Dann stehst Du auf jeden Fall in einer besseren Ausgangsposition als zuvor.
Der angenehmste Punkt zum Lupfen ist meist, wenn Du mit dem Vorderrad gerade in die Kehre einlenkst. Was Du definitiv vermeiden solltest, ist zuerst versuchen die Kehre zu fahren und dann – wenn es nicht geht – entscheiden sie zu lupfen. Das wird nix. - Versuche am Anfang am besten mehrmals hintereinander zu versetzen, das ist leichter, als ganz Direkt mit einem einzigen Lupfer durch die Kehre zu stylen.
- Üben, üben, üben… bis Du dich richtig wohl fühlst dabei.
- Wenns jetzt richtig gut klappt wirst Du feststellen, dass die Bewegung leichter geht wenn die Kehren steiler sind. Schön, oder? Wäre da nur nicht die Psyche, die alles schwerer macht, wenns steiler wird.
Um hier konsequent zu bleiben und das Ding durchzuziehen hilft es, sich in dem Moment wo man versetzen will laut zu sagen: „Jetzt!“ Hört sich irgendwie lächerlich an, hilft aber tatsächlich. - Der Moment ist sowieso sehr wichtig. Denn an diesem Punkt wechselst Du auch Deine „sichere Seite“. In einer Linkskehre ist der rechte Hang Deine sichere Seite VOR dem Lupfer und der linke Hang Deine sicher Seite NACH dem Lupfer.
WÄHREND Du lupfst bist Du in der Falllinie, und da musst Du möglichst schnell wieder raus. Sei Dir bewusst, dass Du „rum“ willst und zieh es konsequent durch. Wenn Du zögerst, wirst Du in der Falllinie bleiben und „aus der Kehre raus“ stürzen.
Dann lieber zu krass rum wollen, denn „in die Kehre rein“ zu stürzen ist zweifelsfrei angenehmer.
Viel Spaß beim Üben!
Spitzkehren mit Harald Philipp von Maxi Dickerhoff auf MTB-News.de