Risikomanagement

In der alpinen Lehrliteratur neueren Datums ist „Risikomanagement“ eine gängige Betrachtungsweise. Die Grunderkenntnis ist dabei, dass man nicht risikolos durch die Berge ziehen kann, sondern über das Risiko entscheidet, welches man bereit ist, auf sich zu nehmen. Eine mögliche Herangehensweise wäre die Erkenntnis, dass jede Maßnahme zur Vermeidung eines bestimmten einen Risikos als Folge andere Risiken verstärken kann. So ist es eine permanente Abwägung des Alpinisten (egal mit welchem Sportgerät), welches Risiko er eingeht, welches er zu minimieren versucht oder welches er in Kauf nimmt bzw. gar vergrößert.

Klassisches Beispiel: Reinhold Messners Besteigung der Eigernordwand innerhalb eines Tages. Im Grunde war dies eine Minimierung der Gefahren wie Wettersturz, Steinschlag oder Lawinen, durch in Kauf nehmen anderer Gefahren, da er z.B. nicht die Zeit hatte jeden Tritt abzusichern. Vor ihm (und heute meist auch noch) stiegen die Seilschaften in mehreren Tagen durch die Wand. Die Tragödien ausgelöst durch Wetterumstürze sind ja Legende.

Risikomanagement beginnt bereits bei der Tourplanung, sprich der Auswahl der Route und der Mitfahrer, dem Startzeitpunkt und dem genauen Studium des Wetterberichtes. Mehr zu allgemeinen alpinen Sicherheitsfragen findet man auf den Seiten der Alpenvereine.

Hier gehen wir mehr auf Bikebergsteiger-spezifische Themen ein.

Schutzausrüstung

Foto: Christian Dworschak | Fahrer: Tobias Leonhardt

Foto: Christian Dworschak | Fahrer: Tobias Leonhardt

Ein Helm, Handschuhe und geeignetes Schuhwerk gehören beispielsweise zur Grundausstattung. Weiters kommt je nach Tour, Jahreszeit und eben „persönlichem Risikomanagement“, u.a. noch folgendes Ausrüstungsmaterial hinzu:

  • Protektoren für Ellenbogen und Knie-Schienbein
  • Protektorenjacke oder Hose
  • Vollvisierhelm
  • Warme Klamotten und Ersatzklamotten
  • Biwaksack
  • Lampe
  • Nahrung, Wasser und Reservenahrung
  • Erste Hilfe Set

Wie oben erwähnt, gilt es für jeden individuell abzuwägen, wie und ob er sein persönliches Gesamtrisiko auf einer Tour zu minimieren versucht. Je mehr Ausrüstung man dabei hat, um so eher läuft man z.B. Gefahr, durch die zusätzliche Last zu entkräften. Auch die Fahrradbeherrschung wird durch zusätzliches Gewicht im Rucksack erschwert.

Andererseits birgt es natürlich beträchtliche unmittelbare Gefahren, auf Schutzausrüstung zu verzichten.

Beispiel: Ein mit Protektoren harmlos verlaufender Ausrutscher kann ohne Schutz bereits ernste Schwierigkeiten mit sich bringen. Bei ungünstiger „Landung“ ist schnell mal ein Knie oder Ellenbogen derart angeschlagen, dass man nicht mehr weiterfahren kann. Wenn man Glück hat, kommt man dann noch irgendwie aus eigener Kraft und bei Helligkeit runter vom Berg.

Risikokomponenten

Der wahrscheinlich wichtigste Punkt in Sachen Risikomanagement ist jedoch die Fähigkeit zur richtigen Selbsteinschätzung und die generelle Risikobereitschaft des Fahrers. Man sollte sich dabei von „gruppendynamischen“ Zwängen jedweder Art frei machen. Dies beginnt bereits beim Anstieg, den man strikt nach seinem eigenen Tempo bewältigen sollte und sich nicht am (schnelleren) Tempo anderer orientieren und anpassen sollte. Die bergauf Stärkeren passen ihr Tempo den Schwächeren an. Gegebenenfalls sollten Vorausgehende/fahrende in regelmäßigen, nicht zu großen Abständen auf die „Nachhut“ warten.

Wer sein Pulver bereits am Gipfel verschossen hat, wird bei einer langen und technisch anspruchsvollen Abfahrt wenig zu lachen haben. Man läuft dann Gefahr, durch Entkräftung Konzentrationsfehler zu begehen und erhöht somit das Sturzrisiko. Die Alternative, einen Großteil der Abfahrt runter zu schieben ist auch wenig verlockend.

Bei sehr kniffligen Passagen in der Abfahrt gilt gleiches wie oben: Man muss ein gutes Gespür dafür entwickeln, was man fahrtechnisch bewältigen kann und was nicht. Aktionen nach dem Motto „Was der kann, kann ich auch!“ gehen nicht selten schief. Mit den Jahren entwickelt man einfach ein „Bauchgefühl“, das einem sagt wie weit man gehen sollte und wo eher Absteigen angesagt ist. Dies ist übrigens auch klar tagesformabhängig. Es gibt eben Tage, an denen gewisse Passagen wie von selbst klappen, an anderen Tagen funktionieren selbst einfache Sachen nicht. Generell sollte man sich bei technischen Abfahrten nicht unter Druck setzen (lassen), sondern sich nur bis zu einem gewissen Grad „fordern“.

Foto: David Werner | Fahrer: Lev Yakushko & Laurent Sturm

Foto: David Werner | Fahrer: Lev Yakushko & Laurent Sturm

Bei sehr anspruchsvollen Bergabpassagen kann es (situationsabhängig) sinnvoll sein, einen oder mehrere so genannte „Spotter“ zu postieren. Ist die Schwierigkeit oder Gefährlichkeit einer Passage so hoch, dass sich der Fahrer nicht 100% sicher ist, sie fehlerfrei zu bewältigen, sollte er einen oder mehrere Mitfahrer bitten die Stelle zu sichern. Hierbei stellen sich ein oder mehrere Mitfahrer (natürlich ohne Rad) so an die zu bewältigende Passage, dass sie den Fahrer im Falle eines Fahrfehlers noch stoppen, festhalten oder einfach nur zur Hangseite stoßen können. Dabei hängt die Anzahl der erforderlichen Spotter von der Länge der abzusichernden Passage ab: In einer beispielsweise 5m langen Passage nützt es nichts, wenn man ganz unten einen Helfer postiert und dann ganz oben die Kontrolle verliert. Man würde dann mit viel zu viel Schwung am Spotter unten ankommen, so dass dieser nichts mehr ausrichten könnte ohne selbst in Gefahr zu geraten. Spotten ist allgemein nur dann sinnvoll, wenn man sich in sehr langsamer Geschwindigkeit durch eine Passage bewegt. Andernfalls hätten die Spotter wie oben erwähnt keine Chance, den Fahrer noch irgendwie abzufangen.

Die Spotter selbst müssen einen guten Halt im Gelände haben, um nicht selbst womöglich abzustürzen, wenn sie einen Fahrer auffangen wollen.

Wann man auf Spotter zurückgreift und wann nicht, sollte einem wieder das entsprechende Bauchgefühl sagen. Einerseits sollte man natürlich nicht an jeder Kehre verlangen, gespottet zu werden, das belastet die anderen Fahrer unnötig und kostet auch sehr viel Zeit. Andererseits ist es freilich unsinnig, auf Spotter zu verzichten, wenn sie wirklich gebraucht werden und Sinn machen.

Man sieht, es ist ein häufiges Abwägen und Gegenrechnen von Risiken, wenn man das Ziel verfolgt, das persönliche Gesamtrisiko und das der restlichen Gruppe zu minimieren. Die Fähigkeit der Risikominimierung lässt sich in einem simplen Begriff zusammenfassen: Erfahrung – die man sammeln muss.