Verhaltenskodex

Im Alpinbereich hat in den letzten beiden Jahrzehnten eine enorme Bewegung stattgefunden. Zahlreiche neue Sportarten sind entstanden und die traditionellen Aktivitäten entwickelten sich mannigfach weiter. Eine der neuen Alpinaktivitäten ist das Bikebergsteigen, welches sich aus den Bereichen Mountainbiking und Alpintouren entwickelt hat.

Die Veränderungen im Alpinbereich haben viele positive Wirkungen, bergen aber auch einige Herausforderungen. Schäden an Natur und an alten Routen sollen vermieden werden. Außerdem gilt es, etablierte Sportarten zu respektieren, die gemeinsamen Interessen an der alpinen Natur und Kultur zu stärken und sich darüber hinaus um eine gegenseitige Akzeptanz zu bemühen.
Auf diese Weise sollte dem bereits jetzt schon größtenteils freundschaftlichen, vorurteilsfreien Miteinander am Berg nichts im Wege stehen.

Die Interessengemeinschaft Bikebergsteigen (IGB) stellt sich dieser Aufgaben durch selbstverpflichtendes verantwortliches Handeln ihrer Mitglieder. Zugleich ist die IGB bestrebt ihre Haltung zu kommunizieren. Deshalb hat sie einen Kodex formuliert, der die Verhaltensrichtlinien für seine Mitglieder vorgibt.
Diese sollen nicht als Gesetze verstanden werden, viele der aufgelisteten Punkte sind ohnehin Selbstverständlichkeiten. Doch vielleicht können sie auch dazu dienen, andere Mountainbiker und Bikebergsteiger anzuleiten und für bestimmte Themen zu sensibilisieren.

Durch verantwortungsvolles Verhalten und mit Respekt vor Natur und Bergsportkollegen sollten schließlich auch die mountainbikenden Alpinisten als Bergsportler respektiert werden!

  1. Genau vorbereiten und planen

    Eine alpine Mountainbiketour erfordert eine genaue Planung, Vorbereitung und die entsprechenden alpinen Kenntnisse sowie Erfahrungen (Karten lesen, Berichte studieren, Wetterverhältnisse einholen und je aktuell beurteilen, Erste Hilfe, Gebrauch der Werkzeuge u.a.).
    Die Planung berücksichtigt auch die Fähigkeiten aller an der Tour beteiligten Personen. Die Zeitplanung ist so anzulegen, dass genügend Reserven vorhanden sind.

  2. Gruppe richtig wählen

    Bei der Wahl der Gruppe ist darauf zu achten, dass sie möglichst ausgewogen zusammengesetzt ist und jedes Gruppenmitglied die geplante Tour auch wirklich bewältigen kann. Wie bei anderen alpinen Unternehmungen, so ist auch beim Bikebergsteigen auf die Gruppengröße zu achten. Diese ist generell klein zu halten. Je nach der Schwierigkeit der Tour sollte sich die Größe zwischen drei bis maximal sechs Leuten bewegen.
    Unterwegs ist das Gruppenverhalten wichtig. Gruppenzwang kann zu gefährlichen Situationen führen. Das schwächste Gruppenmitglied bestimmt das Tempo in Aufstieg sowie in der Abfahrt.

  3. Ausrüstung richtig wählen

    Aufgrund der Vorbereitung wird die Ausrüstung gemäß den objektiven Gegebenheiten und dem eigenen Können ausgewählt (auf alle Fälle: Helm, Brille, Handschuhe, Erste-Hilfe-Set, Werkzeug, Proviant, angemessenes Schuhwerk; Reifenwahl; je nach Gegebenheiten: Arm- und Beinprotektoren, Integralhelm).
    Der  Zustand von Ausrüstung und Bike sollte regelmäßig überprüft werden.

  4. Zeitpunkt richtig wählen

    Bei alpinen Unternehmungen ist die Wahl des richtigen Zeitpunktes in mehrfacher Hinsicht wichtig. Tourenziele sind oft nur während zwei oder drei Monaten machbar. Die Wetterlage bestimmt im Weiteren, wann eine Tour nicht nur schöner, sondern auch objektiv sicherer ist.
    Zudem ist gerade bei anspruchsvollen Touren die Wahl des Zeitpunktes für die Abfahrt wichtig. Dadurch lassen sich allfällige Konflikte mit anderen alpin Aktiven am besten vermeiden. Besonders geeignet sind die frühen Morgen- oder späten Nachmittagsstunden.

  5. Kondition richtig einteilen

    Es ist wichtig auf seinen Körper zu hören, seine Kondition einzuteilen, sich richtig zu verpflegen und dabei auch auf die Mitfahrer zu achten. Selbstüberschätzung ist zu vermeiden, auch wenn die Situation dazu verleiten mag. Die Abfahrt erfordert Konzentration, Kondition und Kraft und ist daher gestärkt anzugehen. Es gilt: Die Tour ist erst zu Ende, wenn alle unten sind.

  6. Fahrweise den Gegebenheiten und dem Können anpassen

    Die Fahrweise ist dem Können anzupassen und das Mountainbike unter Kontrolle zu halten. An uneinsehbaren Stellen ist die Geschwindigkeit auf Schritttempo zu reduzieren. Anspruchsvolle und objektiv gefährliche Passagen sind entsprechend der Erfordernisse zu begehen resp. zu befahren. Absteigen vor Passagen bei denen man sich unwohl fühlt.
    Es ist generell damit zu rechnen, dass Wandernde oder Mountainbiker, Tiere bzw. Hindernisse auftauchen können.

  7. Auf Wegen fahren

    Fahren abseits von Routen und Wege schädigt die Natur. Die Fahrweise auf den Wegen ist der Witterung anzupassen (bei extremer Trockenheit, bei Regen und nassen Verhältnissen nehmen Wege sehr leicht Schaden, sodass z.T. längere Abschnitte nicht oder sehr langsam gefahren werden). Weidezäune sind zu schließen.

  8. Spuren vermeiden

    Beim Bremsen nicht die Räder blockieren (Ausnahme ist eine Notsituation; wenn möglich wird der angerichtete Schaden behoben), um Bodenerosion zu vermeiden. Kurven werden nicht geschnitten (s. Fahrtechnik für Spitzkehren). Die Fahrweise und Geschwindigkeit wird dem Untergrund und den Witterungsbedingungen angepasst. Das vermeiden von Wegeschäden hat hohe Priorität.
    Abfälle gehören in Abfalleimer und nicht in die Natur. Verpackungsmaterial, PET-Flaschen u.a. werden ins Tal mitgenommen und dort sachgerecht entsorgt.

  9. Steinschlaggefahr beachten

    Steinschlag ist sowohl im Aufstieg wie bei der Abfahrt unbedingt zu vermeiden. Auf Serpentinenwegen ist Gefahr besonders hoch, dass Menschen von Steinen getroffen werden können. Sollte in einem solchen Gelände doch einmal ein Steinschlag ausgelöst werden, ist umgehend „Achtung Steinschlag“ o. ä. zu rufen.
    Beim Aufstieg ist in steinschlaggefährdetem Gelände aufmerksam zu gehen und Augen und Ohren sind offen zu halten.

  10. Freundliche Umgangsweise

    Gegenüber anderen Naturnutzenden und alpinistisch Aktiven wird die Vorbeifahrt frühzeitig angekündigt. Beim Passieren ist die Geschwindigkeit auf Schritttempo zu vermindern oder auf schmalen Pfaden muss angehalten werden. Vortritt haben generell all jene, die zu Fuß unterwegs sind.
    Ein Gruß und eine freundliche Umgangsweise ist unsere Haltung. Von verbiesterten Zeitgenossen sollten wir uns nicht provozieren lassen. In allfälligen Streitigkeiten ist unser Ziel, deeskalierend zu handeln.

  11. Auf Tiere Rücksicht nehmen

    Weidetiere bedürfen der Rücksichtnahme und Jungtiere einer besonderen Schonung. Elterntiere nehmen uns leicht als eine Bedrohung wahr. Gegebenenfalls sind dann Weideplätze zu umfahren resp. zu umgehen. Beim Durchqueren von Weideplätzen sind die die Zäune wieder zu schließen.
    Auf Wildtiere ist gleichfalls besonders Rücksicht zu nehmen. Vor allem im Frühjahr und nach strengen Wintern sind Wildtiere oft sehr geschwächt. Eine plötzliche Flucht vor einem Alpinisten kostet zusätzlich Kraft. In der Dämmerung sind Wildtiere bei ihrer Nahrungsaufnahme und deshalb sollte die Tour bis dahin beendet sein.

  12. Verantwortliche Nachbereitung

    Eine geglückte Tour erfreut uns lange. Gerade wenn noch einsame Regionen der Alpen erkundet werden, ist es wichtig bei einer allfälligen Publikation dazu beizutragen, dass das auch so bleibt. Gegen eine Schilderung einer Tour und die Veröffentlichung von Fotos ist nichts einzuwenden.
    Im Text ist jedoch auf genaue geografische Bezeichnungen und Ortsangaben zu verzichten*. Um einsame Gebiete zu bewahren, gehören genaue Ortsbezeichnungen (bei Fotos mit Wegmarkierung diese retuschieren oder sie nicht veröffentlichen), Koordinatenangaben, GPS-basierte Daten jeglicher Art (weder GPX, KML, KMZ u.ä., noch in Bilder eingebettete Koordinaten) nicht veröffentlicht.
    Dadurch wird die Bildung allfälliger ‚Moderouten‘ verhindert. Dies ist ein wirkungsvoller Beitrag zur Erhaltung der Natur und dem Verhindern von Wegeschäden und Konflikten mit Wandersleuten.


*Diese letzte Richtlinie ist in der Vergangenheit bei manchen Biker auf Unverständnis gestoßen. Daher an dieser Stelle noch einige Erläuterungen zu ihr:
Sie ist erst im Laufe der Zeit aufgestellt worden, als sich im Raum Innsbruck mit vergleichsweise hohem Nutzungsdruck die ersten Moderouten bildeten.
Durch das Verheimlichen von Ortsdaten soll dies möglichst verhindert werden. Das Gegenargument der Nutzungsdruck würde sich gleichmäßiger verteilten sobald man alle Routen preisgeben würde, hat sich bereits bei den Kletterern nicht bewahrheitet.
Zudem trifft man auf diese Weise hauptsächlich erfahrene und verantwortungsbewusste Mountainbiker auf Bike-Hochtouren an, welche auch bei anderen Bergsportlern einen positiven Eindruck hinterlassen.
Natürlich freuen wir uns aber auch auf Nachwuchs! Daher nehmen viele Aktive auch gerne fremde Biker mit, um ihnen die Faszination des Bikebergsteigens zu vermitteln.